Was viele Eltern nicht wissen: Kinder und Jugendliche haften bei Schäden nur in besonderen Fällen. Grundsätzlich sind Kinder bis sieben Jahre nicht schuldfähig. Die Eltern haften in diesem Fall nur, wenn sie Ihre Aufsichtspflicht verletzen. Versicherungsgesellschaften prüfen bei Versicherungsfällen die Verletzung der Aufsichtspflicht im Einzelfall oftmals sehr genau.
Besuch am Sonntag bei Oma und Opa: Während die ganze Familie gemütlich bei Kaffee und Kuchen sitzt, ist dem vierjährigen Enkel langweilig. Er tobt und turnt auf dem Sofa herum – und fällt plötzlich über das teure Porzellan, das nun in Scherben am Boden liegt.
Als Erziehungsberechtigte sehen es Papa und Mama gelassen und beruhigen die Oma: „Wir haben ja eine Haftpflichtversicherung, die kommt für den Schaden auf“.
Haften Eltern für ihre Kinder?
Ganz so einfach ist der Fall allerdings nicht. Kinder sind grundsätzlich über die Familienhaftpflicht der Eltern mitversichert. Weil Kinder die Folgen des Geschehens aber nicht richtig einschätzen können, gelten sie laut Gesetz bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres gemäß BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) als nicht schuldfähig. Das bedeutet, dass im Schadensfalls niemand dafür aufkommen muss. Oma und Opa hätten im Fall des kaputten Porzellans also Pech gehabt und bekommen den Schaden nicht von der Versicherung ersetzt.
Privathaftpflicht: Eltern aufgepasst!
Daher trifft die generelle Aussage „Eltern haften für ihre Kinder“ selbst auf der Baustelle nicht zwingend zu. Anders liegt der Fall, wenn die Eltern die Aufsichtsplicht verletzt haben. Hier kommt es hier immer auf den individuellen Fall an, daher gelten keine klaren Richtlinien. Die Versicherungen prüfen solche Schadensfälle jedenfalls sehr genau.
Kamuran Bildircin von der Degenia Versicherung orientiert sich bei seiner Arbeit an Richtlinien, die Anwälte aufgestellt haben. Hierzu gehöre zum Beispiel, dass man zwei Jahre alte Kinder nicht länger als 20 Minuten allein lassen darf. Sören Häger ist Produktmanager bei Swiss Life Partner GmbH und berichtet, dass jedes Kind eine andere Art von Aufsicht benötige: „Einen Wildfang kann man keine fünf Minuten allein lassen.“ Matthias Schlusche von den ERGO Direkt Versicherungen meint: „Ich schaue mir beispielsweise an, wie alt das Kind ist und wie genau die Aufsicht erfolgte. Wir versuchen, das über Fragebögen zu ermitteln, oder treten auch telefonisch oder schriftlich an die Eltern heran.“
Des Öfteren befassen sich die Versicherungen auch mit Schadenfällen aus dem Straßenverkehr. Hier gelten noch engere Grenzen für die Haftung, berichtet FinanceScout24-Geschäftsführer Schlossberger. Erst ab 11 Jahren (anstatt 8) können Kinder hier haftbar gemacht werden. Reißt sich ein Kind von der Hand der Mutter los und rennt auf die Straße, liegt im Falle eines Unfalls keine Verletzung der Aufsichtspflicht der Mutter vor. Geschädigte bekommen den Schaden von der Haftpflichtversicherung jedoch nur ersetzt, wenn ein gesetzlicher Haftungsanspruch entstanden ist. Ist das nicht gegeben, muss er selbst für den Schaden aufkommen.
Deckung für deliktunfähige Kinder
Inzwischen bieten die Versicherungsgesellschaften auch öfter Policen an, in denen deliktunfähige Kinder mit eingeschlossen werden können. In solch einem Falle kommt der Versicherer – unabhängig von der Verletzung der Aufsichtspflicht – für den entstandenen Schaden auf. Meistens jedoch ist die Deckungssumme auf eine Summe zwischen 5.000 und 20.000 Euro beschränkt.
„Bei höheren Schäden, etwa wenn Kinder mit Streichhölzern spielen und ein Haus in Brand stecken, wird die Aufsichtspflicht noch viel strenger definiert und geprüft“, erklärt Schlossberger. „Denn das Hantieren mit gefährlichen Materialien gehört nicht zum Freiraum von Kindern, egal in welchem Alter.“
Sein Rat an die Eltern: „Prüfen Sie bestehende Versicherungsverträge und schließen Sie deliktunfähige Kinder bei der Privathaftpflicht unbedingt mit ein“. Nach der Geburt eines Kindes sollten Eltern grundsätzlich Ihren Versicherungsbedarf überprüfen, gegebenenfalls Angebot einholen und vergleichen.